Wieso gibt es so viele Kriege auf unserem Planeten, so viele Flüchtlinge, so viel Armut, Hilflosigkeit und auf der anderen Seite so viel Reichtum. Und was hat das mit uns zu tun und mit den Medien, dem Filmemachen? Lohnt sich die Mühe, darüber Dokumentar- oder Spielfilme zu machen - und dafür eine Finanzierung und einen Platz im Kino oder im Fernsehen zu finden? Oder ist es nicht doch leichter, mit Zuckerwatte-Themen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Denn wer schaut sich tatsächlich noch Filme im Kino oder im Fernsehen an, die wirklich aufklären wollen und dabei auch gut gemacht sind.
Diese Filme gibt es nach wie vor im Kino und im Fernsehen, nur sind sie immer schwerer in der täglichen und vor allem nächtlichen Medienflut zu finden. Erst vor kurzem hab ich zu später Stunde im NDR-Fernsehen den Dokumentarfilm "Das Mädchen - Was geschah mit Elisabeth K.?" von Eric Friedler gesehen und konnte dann kaum einschlafen, weil mich die Untätigkeit der damaligen deutschen Bundesregierung so aufgeregt hat. Friedler hat die Ermordung der deutschen Studentin Elisabeth Käsemann 1977 durch die argentinische Militärdiktatur nachgezeichnet und dabei auch das Versagen von Politik und anderen Funktionsträgern verdeutlicht. Und das ist nicht sein erster Film mit einer politischen Botschaft. Es gibt sie also, Sendungen, die den Rundfunkbeitrag wert sind.
Voting-Manipulationen und Tatort-Förderung
Mit dem Rundfunkbeitrag müssten eigentlich viel mehr anstoßende und anstößige Filme gemacht werden, aber für die ist angeblich kein Geld da und kein Sendeplatz. Dafür gibt es dann – nicht nur im Sommer – viele Wiederholungen von Tatorten und anderen Krimiformaten und das Publikum wird auch gerne mit den Voting-Hitparaden versorgt, z. B. zu den Schönsten Gärten im Norden. Nun musste auch der NDR zugeben, dass da nicht immer alles so gelistet wurde, wie die Zuschauer abgestimmt hatten. Mehr dazu in dieser Rundbrief-Ausgabe.
Was war noch: Mitten im August verkündete die Bild am Sonntag in großer Aufmachung, dass die nordmedia keine Tatorte mehr fördern werde. Als Nicht-Bildzeitungsleser fand ich diese höchst interessante Nachricht kürzlich eher zufällig in einem Pressespiegel. Wieso sprach da niemand darüber? Immerhin ist die Tatort-Förderung schon seit Jahren umstritten, weil Viele der Meinung sind, dass ein erfolgreiches Fernsehformat allein aus den originären Rundfunkbeiträgen herzustellen ist. Nun, offensichtlich wurde die Bildzeitungsmeldung nicht für ernst genommen. Mein Anruf beim NDR brachte auch keine „Aufklärung“, dazu gäbe es keine generelle Aussage. Wir dürfen also gespannt sein, ob die Tatort-Kommissare aus Niedersachsen mal wieder versuchen, den nordmedia-Tresor zu knacken.
Abschiede mit Aussagen
Die kulturelle Filmförderung stärken, dafür plädiert nicht nur Maria Wismeth, die kürzlich als Geschäftsführerin der Hessischen Filmförderung verabschiedet wurde. Auch Bernd- Günther Nahm hat als Leiter der Filmwerkstatt Kiel und als Geschäftsführer der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein die Filmförderung im Norden geprägt und mit gestaltet. Mit beiden hatte ich über viele Jahre einen freundschaftlichen und guten Austausch, sei es zu alten BuFi-Zeiten, aber auch danach, bei vielen Treffen der Filmbüros und kulturellen Filmförderungen.
Immer waren Maria und Bernd-Günther für Tipps oder auch für mutmachende Worte gut, wenn man mal wieder in Niedersachsen den Eindruck hatte, hier sind Veränderungen in unserem Sinne nicht umzusetzen. Nun sind die beiden zwar nicht mehr in ihren Ämtern, haben aber versprochen, bei Bedarf gerne in Niedersachsen ihr Wissen und ihre Erfahrungen in die Diskussion über die Weiterentwicklung der Filmförderung einzubringen. Da freu ich mich drauf!
Über die Filmförderung wird in diesem Jahr beim Film- und Medienforum vom 22. bis 24. Oktober in Lüneburg „nur“ am Rande diskutiert. Dafür geht es um den Rundfunkbeitrag, Rundfunkaufsicht, Programmqualität und vieles mehr. Vielleicht sieht man sich dort, oder auf einem der Festivals. In diesem Jahr steht Braunschweig besonders im Fokus, weil dort Michael P. Aust als Nachfolger von Volker Kufahl sein erstes Festival leiten wird. Zahlreiche weitere interessante Veranstaltungen beleben den Terminkalender im Herbst. Dazu zählt auch die Kinopremiere der nord shorts, einem Programm mit preisgekrönten Kurzfilmen, das demnächst auch auf Kinotour geht. Mehr finden Sie auf den nächsten Seiten.
Was fehlt: Eigentlich wollte ich noch von einem Besuch im Berliner Kino ›Zukunft‹ erzählen. Aber das wird aus Platzgründen auf den nächsten Rundbrief verschoben.
Anregende Lektüre wünscht Karl Maier
Maria Wismeth, die 18 Jahre Geschäftsführerin der kulturellen Filmförderung in Hessen war und auch maßgeblich die Filmförderung des Hessischen Rundfunks mit betreut hat, wurde beim Sommerfest der Hessischen Film- und Kinoszene offiziell verabschiedet. Da in Hessen derzeit über die Zusammenlegung der drei Förderungen diskutiert wird, hat Maria Wismeth noch einmal an die Filmszene und an die Politiker appelliert, dabei nicht die Filmkultur zu vernachlässigen: "Die kulturelle Filmförderung muss gestärkt werden: Dokumentarfilme, Nachwuchsprojekte, experimentelle Arbeiten sind wichtig für Hessen."
Von einer neuen Filmfördergesellschaft erwartet sie, dass die Filmschaffenden daran beteiligt werden und dass mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Das Geld sollte teilweise von oben nach unten umgeschichtet werden. "Ich vertraue da auf eine gewisse politische Vernunft. Wenn man sich nicht nur am roten Teppich orientiert und Mainstream fördert, sondern auch anspruchsvolle Filme für ein Zielgruppen-Publikum, gewinnt man am Ende mehr. Mit München und Berlin kann Hessen ohnehin nicht mithalten, muss es auch nicht. Ein eigenes Profil ist wichtiger. Außerdem kann nur mit einer differenzierenden Förderung die hiesige Filmszene stabilisiert und neue Kreative angezogen werden."
Anlässlich des Abschieds von Maria Wismeth hat Ellen Wietstock in der black box ein längeres Interview mit Maria Wismeth geführt, hier ein Auszug.
"Ich fände es für alle Beteiligten eine Überlegung wert, ob man nicht zu den früheren Senderankäufen zurückkehren sollte, anstatt dass Fernsehvertreter in allen Regionalförderungen sitzen. Die Produzenten haben dann etwas zu verkaufen, womit sie Eigenkapital bilden könnten, und die Sender bekommen untypisches, unter Umständen richtig interessantes Programm, das wie eine Vitaminspritze wirken könnte. Das könnte sich sogar positiv auf die landauf-landab eher gleichförmige Erzähl- und Bildkultur auswirken."
Zugegeben, Bernd-Günther Nahm ist bereits im Dezember 2013 in den verdienten Ruhestand gegangen. Das heißt aber nur, dass er nicht mehr Leiter der Filmwerkstatt Kiel ist und auch nicht mehr im Gremium der gemeinsamen Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein die Interessen der Filmschaffenden vertritt. Nun wurde er im Juni für sein jahrzehntelanges Engagement für die Filmszene in Schleswig-Holstein und weit darüber hinaus mit dem Bundesverdienstorden am Bande ausgezeichnet.
Auszüge aus der Laudatio:
"Bernd Günther Nahm ist Mentor der Filmförderung in Schleswig-Holstein. Er stellt stets die Filmemacher und deren Talent in den Mittelpunkt der Förderarbeit. Ihm ist es gelungen, Talenten aus Schleswig-Holstein mit bescheidenen Mitteln ein Forum, einen Platz in der Filmwirtschaft und Aufmerksamkeit zu bieten. Darüber hinaus steht er ihnen immer beratend zur Seite. Bernd-Günther Nahm hat den über die Grenzen hinaus bekannten Filmemacherinnen und Filmemachern die ersten Schritte ermöglicht und sie auf ihrem internationalen Weg begleitet. In der Filmwerkstatt Kiel wird die Filmszene des Landes nicht nur gebündelt und befeuert, sondern ihr auch eine Heimat gegeben."
Alles Gute für den aktiven Ruhestand!
Karl Maier